SERIE: Blockchain

Diese Hamburger Energie-Projekte basieren auf der Blockchain

30. Oktober 2019
Parallel zur öffentlichen Diskussion wird in der Hansestadt an realen Blockchain Use Cases gearbeitet. Teil 1: Pilotprojekte in der Energiewirtschaft

Die Blockchain-Technologie wird die Energiewirtschaft kurzfristig nicht revolutionieren, so eine Studieder Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. (FfE). Doch Prognosen besagen, dass sich die Blockchain mittel- bis langfristig als fester Teil der Energiewirtschaft etablieren kann. Dabei setze Hamburg auf reale Stärken, sagt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann. In der Hansestadt und in der Metropolregion gibt es im Bereich Energiehandel und Netze gleich mehrere Leuchtturmprojekte von überregionaler Bedeutung, in denen die Blockchain-Technologie bereits zum Einsatz kommt. Die Hamburg News stellen vier Pilotprojekte vor. Teil 1 der Blockchain-Serie.

Enerchain für einen Energiehandel ohne Intermediäre

Seit Ende Mai 2019 ist dezentrale Energiehandelsplattform Enerchain live. Das Hamburger IT-Unternehmen Ponton GmbH hatte den Anwendungsfall zwei Jahre zuvor ins Leben gerufen. Den Proof of Concept erbrachten schließlich 45 der bedeutendsten Energieunternehmen Europas, indem sie Strom- und Gasprodukte miteinander handelten – dezentral und anonym, so Ponton-Geschäftsführer Michael Merz. „Die Energiebranche ist sehr stark reguliert, und es kommt kaum zu Betrugsfällen.“ Somit sei das Vertrauen der Teilnehmer am Strommarkt entsprechend hoch. „Die Blockchain-Technologie ist hier nur interessant, wenn sie hilft, die externen Kosten des Handels zu reduzieren“, erläutert Merz. 

Durch den Einsatz der Blockchain erfolge die Übermittlung und Prüfung der Angebote wesentlich effizienter als über Intermediäre, verspricht der IT-Spezialist. Die Enerchain-Marktteilnehmer können ihre „Blockchain-Knoten“ selbst betreiben. Damit ist der operative Betrieb nicht auf Dritte angewiesen. Dies führe wiederum zu geringeren Transaktionskosten, die einen niedrigschwelligen Marktzugang ermöglichen sollen.

Strommarktplatz Enyway soll die Energiewende beschleunigen

Ein weiteres Beispiel dafür, wie die Blockchain-Technologie bereits heute eingesetzt wird, bietet das Hamburger Startup Enyway rund um Energie-Pionier Heiko von Tschischwitz. Vor gut 20 Jahren gründete er das Unternehmen Lichtblick, welches heute als größter Ökostromanbieter in Deutschland gilt. Mit Enyway will von Tschischwitz die Energiewende beschleunigen: Der dezentrale Online-Marktplatz, auf dem Ökostrom (Solarstrom, Windenergie und Wasserkraft) direkt vom Erzeuger angeboten wird, basiert auf der Blockchain. 

Derzeit errichtet das Energie-Startups nach eigener Angabe eine erste förderfreie Community-Solaranlage in Sachsen-Anhalt. So ermöglicht die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), individuelle Solarmodule transparent und fälschungssicher in digitale Pakete aufzuteilen und dem jeweiligen Kunden zuzuordnen – ganz ohne Zwischenhändler. „Wir wollen aus dem anonymen Strommarkt einen Ort machen, an dem Menschen miteinander ins Geschäft kommen und gemeinsam die Energiewende gestalten können. Klassische Energieversorger werden so überflüssig, dezentrale Erneuerbare Energien gestärkt und der Energiemarkt demokratisiert“, so Heiko von Tschischwitz.

Mit Etiblogg Engpässe im Stromnetz vermeiden

Auf dem Weg von der Theorie zur Praxis befindet sich das Projekt Etiblogg (Energy Trading via Blockchain-Technology in the Local Green Grid), mit dem ein lokaler Stromhandel realisiert werden soll, der Engpasssituationen im Netz vermeiden bzw. mindern soll. Dies soll langfristig den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben. So hat beispielsweise Nachbar A eine Photovoltaik-Anlage, aber nutzt den produzierten Strom nicht komplett. Diesen könnte er wiederum mithilfe des Etiblogg-Netzwerks direkt an seinen Nachbarn B verkaufen. 

Die Blockchain-Technologie soll hier zum Einsatz kommen, um den Datenaustausch zwischen Teilnehmern und einen dezentralen Handelsprozess zu ermöglichen. Ziel ist es, den Handel mit Kleinstmengen an Energie effizienter und vor allem schneller machen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und von insgesamt 12 Unternehmen und Forschungseinrichtungen getragen, darunter die IT-Personalberatung Consider it GmbH, der Halbleiter- und Systemlösungsspezialist NXP Semiconductors Germany GmbH, die Ponton GmbH sowie die Universität Hamburg. Das dreijährige Forschungsvorhaben endet im März 2021.

NEW 4.0 Smart Market: kurzfristig Windenergie-Netze entlasten

Auch in der Innovationsallianz NEW 4.0, initiiert von Hamburg und Schleswig-Holstein, spielt die Blockchain-Technologie eine tragende Rolle. Das Herzstück des Projekts ist ein dezentraler und lokaler Marktplatz für Erneuerbare Energie. Während über die Enerchain vor allem Termingeschäfte gehandelt werden, also z. B. die Lieferung von Strom oder Gas über einen längeren Zeitraum, geht es bei NEW 4.0. um sehr kurzfristige Lieferungen, erklärt Michael Merz den Unterschied. So bestehe beispielweise aufgrund der starken Schwankung in der Windstrom-Produktion in Schleswig-Holstein der Bedarf, diesen auch im Norden zu verbrauchen, um die Übertragungsnetze Richtung Süden zu entlasten. Das könne dadurch geleistet werden, dass ein industrieller Verbraucher seinen Verbrauch kurzzeitig erhöht – und Windanlagenbetreiber ihren zusätzlichen Strom lokal und etwas günstiger verkaufen. Die sogenannte „netzdienliche Flexibiliät“ schone die Stromnetze und verhindere, dass Windanlagen abgeregelt werden müssen. Dieser kurzfristige Handel soll sich über den sogenannten NEW 4.0 Smart Market abwickeln lassen. 

Ein erstes Handelsgeschäft im Rahmen des Projekts NEW 4.0 wurde im Frühjahr 2019 abgewickelt. Bis Ende 2020 sollen weitere Tests folgen, an denen die Trimet Aluminum SE, der Stahlkonzern Acelor Mittal und der Kupferproduzent Aurubis sowie die Stadtwerk Flensburg und Norderstedt beteiligt sein werden. Zu den weiteren Hamburger Partnern des auf insgesamt vier Jahre angelegten Projekts gehören die Hamburg Energie GmbH sowie die Ponton GmbH, die für die Entwicklung der Software zuständig ist. 
sb/kk

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