Konferenz

Ist Hamburg bereit für den Quantensprung?

7. Dezember 2023
Hamburg Quantum Innovation Capital lud zu „Quantum Readiness“ – mit Use-Cases und Förderinstrumenten zu Quantentechnologie

Weltweit wird aktiv im Bereich Quantencomputing geforscht – sowohl was die Entwicklung eines zuverlässig arbeitenden, universellen Quantenrechners betrifft, als auch in Bezug auf die vielversprechendsten Anwendungsmöglichkeiten der Zukunftstechnologie. Die Hoffnungen sind groß, vor allem in Bezug auf Optimierungslösungen. Vom Aufbau intelligenter Stromnetze über die Optimierung von Flug- und Schiffsrouten bis hin zu intelligenten Lieferketten bieten Quantencomputer enormes Potenzial – und das könnte bereits in naher Zukunft realisiert werden. Je nach Szenario erwartet Statista für das Jahr 2024 ein weltweites Marktvolumen von mindestens 280 Millionen US-Dollar. Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, ein relevanter Player auf diesem Markt zu werden.

Um den aktuellen Stand von Hamburgs Quantencomputing-Ökosystem ging es Ende November im Dockland bei „Quantum Readiness: Förder- und Anwendungsmöglichkeiten in der Metropolregion Hamburg“, organisiert von der Stadt Hamburg, der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) und Hamburg Quantum Innovation Capital (HQIC).

Mehr Kombinationsmöglichkeiten als Atome im Universum

„Quantencomputing verspricht Lösungen für gewisse, bisher unlösbare Probleme“, führte Dr. Joseph Doetsch in die Thematik ein. Das gelte allerdings leider auch für bisher als sicher erachtete Verschlüsselungssysteme. Wie lange sind also etwa Kryptowährungen und Krypto-Mining noch sicher vor Angriffen mit Quantencomputern? „Etwa 10 Jahre“, schätzt der Data Scientist bei Lufthansa Industry Solutions GmbH & Co. KG, kurz LHIND. Doch auch die Entwicklung quantensicherer Verschlüsselungssysteme schreite voran und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik habe bereits Handlungsempfehlungen für die sogenannte Post-Quanten-Kryptografie herausgegeben, beruhigt der Experte für Quantencomputing. Vor allem aber betont auch Doetsch das große Optimierungspotenzial von Quantencomputern am Beispiel einer optimalen Zuweisung von Gates für ankommende Flugzeuge. „Wenn 200 Flugzeuge auf 50 Gates verteilt werden sollen, ist die Summe der möglichen Kombinationen höher als es Atome im Universum gibt.“ Und dennoch ermögliche die erwartete hohe Leistung von Quantencomputern eine optimale Entscheidung, mit großer Geschwindigkeit treffen zu können.

Maritimes Use-Case funktioniert

Ganz ähnliche Berechnungen führt Dr. Anisa Rizvanolli vom Fraunhofer CML bereits aus. Sie beschäftigt sich mit der Routenplanung von Tankern, die Änderungen der Fahrzeit und die Bedingungen in den Zielhäfen miteinbezieht. „Wenn Tanker Gefahrgut transportieren, dürfen sie nicht jeden Hafen anlaufen und wenn doch, dann dürfen sie nicht neben jedem beliebigen Schiff ankern“, nennt sie mögliche Variablen, die in die Routenplanung einfließen und die vielfach noch von Menschen manuell durchgeführt werden. Am Fraunhofer CML werde aktuell daran gearbeitet, das Problem zu formalisieren und die Daten so weit vorzubereiten, dass die Berechnungen automatisiert durchgeführt werden können. „Erste Rechnungen auf einem Quantenannealer haben bereits funktioniert“, so Rizvanolli. Annealer sind auf die Ergebnisse bestimmter Aufgaben ausgerichtet und gelten als eine Art Vorstufe für universelle Quantenrechner. Nun gehe es darum, die Performance weiter zu verbessern und einen Demonstrator zu implementieren, fährt Rizvanolli fort. Für ihre Berechnungen nutzt sie einen Quantenannealer, der in den USA steht. „Wir buchen dort Rechenzeit und sammeln so erste Erfahrungen im Umgang mit der neuen Technologie. Und das wiederum ermöglicht es uns, die Potenziale der Rechner aufzuzeigen und damit auch die Entwicklung hier in Deutschland voranzutreiben.“

Dr. Anisa Rizvanolli vom Fraunhofer CML

Fördermittel auf Bundes- und Länderebene

Auch in Hamburg wird aktiv an der Entwicklung eines Quantenannealers gearbeitet. Im Rahmen des Projekts Rymax one hat sich ein Team von Wissenschaftlern der Universität Hamburg, der Universität Kaiserslautern und des Fraunhofer ITWM mit führenden Technologieunternehmen zusammengeschlossen, um bis 2026 einen Quantencomputer zu realisieren, der auf Optimierungsprobleme spezialisiert ist. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Maßnahme Quantencomputer-Demonstrationsaufbauten. Die Stadt Hamburg fördert Projekte aktuell im Zukunftsfeld Quantencomputing mit zehn Millionen Euro. Dazu unterstützt die IFB Hamburg Unternehmen und Startups, die im Bereich Quantencomputing innovative Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen erforschen und entwickeln. „Beantragt werden können Fördermittel für die Durchführung konkreter Projekte, aber auch für die Erstellung von Machbarkeitsstudien oder um Personalkosten zu decken“, erläutert Dr. Carsten Lohmann von der IFB.

Chancen für Quantum-Startups

Gerade für Startups ist Quantencomputing ein vielversprechendes Geschäftsfeld, ist Dr. Heiko Milde, Geschäftsführer der IFB Innovationsstarter GmbH, überzeugt. Als Tochtergesellschaft der IFB Hamburg können auch hier Förderanträge für die von Hamburg bewilligten zehn Millionen Euro gestellt werden. Weltweit wird aktuell in erheblichem Maße in Quantum-Startups investiert. 2022 waren es insgesamt 2,35 Milliarden US-Dollar, meldet der McKinsey Quantum Technology Monitor von 2023. Milde hebt für Hamburg den InnoFounder als ausgesprochen unbürokratisches Förderinstrument hervor. „Das Programm richtet sich an kleine Startups, die noch kein Jahr alt sind und im Grunde noch in der Vorgründungs- oder Gründungsphase stecken.“ Der maximale Förderbetrag liege hier bei 75.000 Euro. Das Programm InnoRampUp hingegen richte sich an Startups in der Gründungsphase, die technologisch hochgradig innovative Geschäftsmodelle verfolgen – wie Quantencomputing. „Wir sind gerade mit einem Startup in den finalen Gesprächen und gehen davon aus, in Kürze deren Quanten-Case veröffentlichen zu können“, so Milde. InnoRampUp-geförderte Startups können eine Summe bis zu 150.000 Euro beantragen.

Dr. Heiko Milde, Geschäftsführer der IFB Innovationsstarter GmbH

Erfolgskonzept Innovationsstarter Fonds

Bis zu 1,5 Millionen Euro stehen beim Innovationsstarter Fonds bereit. Der Fonds beteiligt sich mit Venture Capital an Gründungen, die durch ein innovatives Konzept mit klarer Abgrenzung zum Wettbewerb überzeugen. Rund 50 Beteiligungen mit einer Summe von 108 Millionen Euro seien über den Innovationsstarter Fonds bereits erfolgt, freut sich Milde. „Und wir konnten bereits zwölf erfolgreiche Exits erzielen.“ Und was geschieht mit den so erzielten Geldern? „Die fließen direkt zurück in den Fördertopf“ – und könnten nun vielleicht einer Quantum-Gründung zugutekommen.
ys/mm

Quellen und weitere Informationen

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