Stärkt die Krise das Mobilitätsprodukt Auto?

Vor dem Hintergrund der vorsichtigen Lockerungen der Corona-Maßnahmen nimmt auch die Autoindustrie langsam wieder Fahrt auf. So hat etwa Volkswagen angekündigt, schrittweise die Produktion wieder anlaufen zu lassen, weitere große Autobauer, wie Daimler oder BMW, planen in die gleiche Richtung. Johannes Plass, CEO und Gründer der Hamburger Design- und Kommunikationsberatung Mutabor, zeigt sich generell optimistisch, was die Zukunft der Autoindustrie betrifft: „Die Krise wird das Mobilitätsprodukt Auto eher noch stärken.“
Cocooning-Bedürfnis wächst
In Corona-Zeiten lernen viele das Auto als Alternative zum öffentlichen Nahverkehr offenbar neu zu schätzen. „Es kommt dem aktuellen Cocooning-Bedürfnis entgegen, dem Wunsch nach dem eigenen und sicheren Raum“, so Plass, der Mitglied des Gremiums war, das die Entscheidung des VDA für den nächsten Austragungsort der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA vorbereitet hat, für den auch Hamburg im Rennen war. Und der Raum im eigenen Auto könnte seiner Ansicht nach in Zukunft noch weit bequemer und individueller ausfallen – je mehr die Entwicklung hin zum automatisierten Fahren voranschreitet.
Vom assistierten Fahren über autonomes Parken bis zum Roboterauto
„Hier bewegen wir uns zwischen dem Automatisierungsgrad 1, der assistiertes Fahren wie automatisches Spur- und Abstandhalten erlaubt und in vielen Autos schon Realität ist, und dem Automatisierungsgrad 5: Fahren ohne Lenkrad“, erklärt Plass. Während vollautonome Roboterautos noch Zukunftsmusik sind, solange sie nicht 100-prozentige Sicherheit gewährleisten können, wird an verschiedenen Zwischenschritten intensiv gearbeitet. So gab es bereits 2018 ein Pilotprojekt am Hamburg Airport, bei dem Autofahrer ihre Wagen der Marken Volkswagen, Audi und Porsche am Eingang des Parkhauses abstellen konnten. Den Rest – die Suche des zuvor per App gebuchten Stellplatzes und das Einparken – übernahm das Auto selbstständig. In Stuttgart erproben Mercedes-Benz und Bosch in einem gemeinsamen Pilotprojet Automated Valet Parking und sehen darin einen wichtigen Meilenstein hin zum autonomen Fahren.

Klimaschutz und Digitalisierung: Treiber der Mobilität von morgen
Auf dem Weg zur Mobilität von morgen sieht Plass vor allem zwei Treiber: Klimaschutz und Digitalisierung. So können etwa die verschärften CO2-Grenzwerte für den Flottenverbrauch der Autohersteller nur durch eine deutliche Erhöhung des Anteils emissionsarmer und -freier Fahrzeuge mit Elektroantrieb erreicht werden. „Alternative Antriebe führen zu einer veränderten User-Experience“, weiß Plass. Nun werde etwa geladen, nicht getankt, die Preise ändern sich und vor allem müsse die nötige Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Hamburg sieht Plass da auf gutem Wege: „Die Stadt ist Vorreiter bei der Bereitstellung von E-Ladestationen.“
Entertainment - ein immer größeres Thema
Die Digitalisierung wiederum könne uns eine ganz neue Qualität der im Auto verbrachten Zeit bescheren, ist Plass überzeugt. „Entertainment wird im intelligenten und autonomen Auto von morgen ein immer größeres Thema.“ Das Auto der Zukunft könnte zum rollenden Wohnzimmer werden, in dem Filme und virtuelle Welten die ´Fahrgäste` unterhalten. „Hier liegen die Erlösmodelle der Zukunft“, betont Plass, der ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle für möglich hält. Beispielsweise ließe sich auf die großen, ins Cockpit integrierten Bildschirme individualisierte Werbung einspielen, die umso passgenauer gestaltet werden kann, sobald das vernetzte Auto Standort und Reiseziel kommuniziert. Plass: „Am Ende könnte das Auto sogar kostenlos werden, weil es sich durch Werbung finanziert.“
ys/kk