Auslandsaufenthalte für Auszubildende als Nachwuchs-Booster

Wie Betriebe durch Austauschprogramme die Attraktivität der Ausbildung steigern können. Ein Beispiel aus der Metropolregion Hamburg
23. März 2023
People strolling through field in Hamburg Metropolitan Region

Noch nie war es schwieriger für Betriebe, geeignete Azubis zu finden. Vier von zehn Ausbildungsbetrieben konnten laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) 2022 nicht alle Lehrlingsplätze besetzen. Karsten Lühmann, der die gleichnamige Zimmerei in Mechtersen bei Lüneburg bereits in vierter Generation leitet, konnte hingegen seine Lehrstellen stets besetzen. Zudem packt jedes Jahr, meist im Frühjahr, auch noch ein ausländischer Azubi bei ihm mit an.

Lühmann showing apprentices key skills
© Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade
Karsten Lühmann mit seinen Azubis

Austauschprogramme in der Ausbildung

„Die meisten kommen aus Norwegen und wenn das Englische nicht reicht, läuft viel über Blickkontakt, Hände und Füße“, sagt Lühmann. Auch Finnen und Franzosen waren schon da. „Die arbeiten richtig mit, einige für drei, vier Wochen, andere für mehrere Monate.“ Umgekehrt stellt auch Lühmann seine deutschen Azubis immer wieder für mehrwöchige Praktika in norwegischen Betrieben frei.

Die Zimmerei Holzbau Lühmann steht exemplarisch für mehrere Firmen in der Metropolregion Hamburg, die junge Menschen auch durch Austauschprogramme für eine Ausbildung begeistern. Dazu zählen ebenso Kfz-Betriebe, die Azubis nach Japan entsenden, und Schneidereien, deren Lehrlinge in Italien hospitieren. Noch gehören sie damit zur Minderheit. Was an Universitäten schon lange gängig ist, ist in Ausbildungsbetrieben bislang Ausnahme. Nur fünf Prozent aller Azubis gehen ins Ausland, so die Joachim Herz-Stiftung, die selbst ein Austauschprogramm mit den USA fördert.

Auslandsaufenthalte steigern Attraktivität der Ausbildung

Dabei können Auslandspraktika Firmen helfen, Nachwuchskräfte zu gewinnen und zu binden, besonders in Zeiten, in denen die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge auf historisch niedrigem Niveau verharrt. Integrierte Auslandsaufenthalte während der Berufsausbildung anzubieten, sei laut Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), ein Weg, die Attraktivität der Berufsbildung zu steigern. Die finanziellen Möglichkeiten dafür sind da, darunter das milliardenschwere Förderprogramm Erasmus+ der EU. „Wir hören immer wieder, wie sehr diese jungen Erwachsenen durch die Zeit im Ausland reifen, gewissermaßen zu kleinen Führungspersönlichkeiten heranwachsen“, sagt Udo Herz, Mobilitätsberater bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade.

Durch interkulturellen Austausch voneinander lernen

Auch Karsten Lühmann lernt durch die Begegnungen mit den Nachwuchskräften aus dem Ausland immer wieder Neues. Während er den Norwegern gern das deutsche Fachwerk näher bringt, habe er von den Skandinaviern im Gegenzug mehr Gelassenheit gelernt. „Die Norweger sind nicht so hektisch und müssen nicht immer Gas geben“, sagt er und lacht. Für April 2023 hat sich schon der nächste Lehrling aus Norwegen angekündigt. Er will gleich zwei Monate bleiben.
nb/nj/mm/sb