Trotz Krise: Hamburger Kultur- und Kreativwirtschaft resilient

Covid 19 bremst einen richtig großen Markt aus. Laut dem jährlich erscheinenden Monitoringbericht zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland, lag die Branche 2019 auf Platz drei der Bruttowertschöpfung, direkt hinter Fahrzeug- und Maschinenbau. Coronabedingt betont der Bericht gravierende Umsatzeinbrüche bis zu Minus 75% – wenn auch nicht in allen Teilmärkten: „Während in den Teilmärkten Darstellende Kunst, Film, Kunst und Musik besonders starke Einbrüche zu erwarten sind, werden sich die Teilmärkte Architektur, Presse und Software/Games deutlich resilienter zeigen“, heißt es in dem Bericht.
Hamburg kommt bisher gut durch die Krise
Das Monitoring sei durchaus auf den Hamburger Markt übertragbar, weiß Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft. So verzeichnet der Bericht eine verstärkte Nachfrage nach Streaming, Podcasts und Games, was ebenfalls in Hamburg zu beobachten sei. „Die Hamburger Kultur- und Kreativwirtschaft hat sich als wirklich resilient erwiesen. Alle Anstrengungen zielen darauf, alternative Strategien zu entwickeln“, so Rühl.
Bei der Entwicklung und Umsetzung dieser Strategien steht die Hamburg Kreativ Gesellschaft als zentrale Anlaufstelle den Akteuren aller elf Teilmärkte der Kreativwirtschaft aktiv zur Seite.

Crowdfunding Kampagne geht in die zweite Runde
So finden sich Informationen zu Beratungsangeboten sowie Förder- und Konjunkturprogrammen auf der Website, vor allem aber gibt es zahlreiche Projekte zur Unterstützung. Schon im ersten Lockdown konnten Projektstarter bis zu 5.000 Euro beantragen, um mit Hilfe anderer Kreativer – Texter, Grafiker, Fotografen oder Filmemacher – eine professionelle Crowdfunding Kampagne auf die Beine zu stellen. Insgesamt standen dazu 225.000 Euro aus dem Hilfspaket Kultur des Hamburger Corona Schutzschirmes zur Verfügung und führten zu mehr als 880.000 Euro an privater Unterstützung. Das entspreche einem Hebeleffekt von 590 Prozent. Um die erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnenförderung fortzusetzen, stellt die Behörde für Kultur und Medien nun noch einmal 100.000 Euro für weitere Projekte zur Verfügung. Anträge können ab sofort auf der Internetseite der Hamburg Kreativ Gesellschaft eingereicht werden.
Emergency Lab und Fast Mover Programm
Auch das Emergency Lab oder das Fast Mover Programm zielen auf die Unterstützung Hamburger Kreativer vor dem Hintergrund der Pandemie. Ziel des Fast Mover Programms ist es, Geschäftsmodelle der Medien- und Digitalbranche der aktuellen Situation anzupassen, beispielsweise ganz neue Finanzierungsstrategien zu entwickeln oder bestehenden digitalen Content zu monetarisieren. Das Programm wurde von nextMedia.Hamburg initiiert, der Standortinitiative der Hamburger Medien- und Digitalwirtschaft, die seit 2018 Teil der Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH ist. Das Emergency Lab wiederum ist ein Format des Cross Innovation Hub, ebenfalls einer Einheit der Kreativ Gesellschaft, das sich an akut existenzbedrohte Unternehmen richtet. In einem zweieinhalbtägigen Prozess werden innovative Ansätze, wie beispielsweise digitale Sofortlösungen, für kleine und mittelständische Unternehmen gemeinsam mit Kreativen entwickelt.
Content Foresight
Hinter der Reihe Content Foresight wiederum stehen sowohl nextMedia.Hamburg als auch der Cross Innovation Hub. Zusammen mit Unternehmenspartnern geht es darum, möglichst frühzeitig, Antworten auf Fragen der Zukunft zu finden und dabei interdisziplinäres Knowhow zu nutzen. „Nach ‚Mobilität‘ in der ersten Runde, ging es im Jahr 2020 um die Schnittstelle zwischen Content & Health“, erläutert Rühl. Als Unternehmen aus der Medien- und Gesundheitsbranche sowie dem IT-Bereich konnten der Carlsen Verlag, die BKK VBU und MaibornWolff – ein Anbieter von IT-Beratung und Software-Engineering mit über 30 Jahren Erfahrung – gewonnen werden. Auch dieses Format wurde den aktuellen Herausforderungen angepasst. Die drei Unternehmen arbeiten aktuell an einem ersten Prototypen und damit auch an einem ganz konkreten gemeinsamen Geschäftsmodell.

Designxport & Artist in Residenz
Doch auch wenn der Virus allgegenwärtig zu sein scheint – gerade hat die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) „Corona-Pandemie“ zum Wort des Jahres erklärt – es gibt noch weitere Themen und vor allem Pläne, die Rühl und seine Kollegen bewegen. So hat etwa der designxport mit Frances Uckermann seit Juli eine neue Leiterin. Die Anlaufstelle für die über 12.000 in Hamburg tätigen Designer soll eine inhaltliche Neuausrichtung bekommen. „Es geht um Fragen wie: Was kann Design dazu beitragen, den Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Demokratie mitzugestalten? Und wie lässt sich die Relevanz von Design noch stärker sichtbar machen?“, erklärt Rühl und ergänzt: „Zudem möchten wir ein Programm ‚Artist in Residenz‘ etablieren. In Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut wollen wir zwei- bis dreimal im Jahr Designer nach Hamburg einladen und mit der hiesigen Szene vernetzten.“
Diebsteich - ein Viertel wird neu gedacht
Und dann sei da noch die Idee, die Position eines Creative Director für die Stadt zu schaffen, wobei der Fokus auf der Schnittstelle zwischen Kommunikation und Verwaltung läge und sich die Hamburg Kreativ Gesellschaft mit dem Bereich UX Design (kurz für User Experience Design) beschäftigt. „Es geht darum, administrative Prozesse reibungsloser und angenehmer zu gestalten“, so Rühl. Aber auch der künftige Großstadtbahnhof Diebsteich beschäftigt ihn. „Immerhin wird hier ein Viertel weitgehend neu gedacht.“ So sollen prägende Gebäude erhalten bleiben und neue hinzukommen. Zum Beispiel eine Musikhalle für bis zu 5.000 Besucher oder ein Sport-Stadion. In Bestandsgebäuden könnte ein Zentrum der Kreativwirtschaft entstehen, neben einer bunten Mischung aus Handwerkerhof, Markthalle, Ausweichspielstätten für sanierungsbedürftige Staatstheater und neue Probebühnen, einem Hotel sowie experimentellen Wohnformen. Viel zu tun für Hamburgs Kreative.
ys/kk
Seit 2010 ist die Hamburg Kreativ Gesellschaft zentrale Anlaufstelle für Berufsstarter/innen, Gründer/innen, Angestellte und Solo-Selbstständige aus den insgesamt elf Teilmärkten der Kreativwirtschaft – also aus: Architektur, Bildende Kunst, Design, Film, Literatur, Musik, Presse, Rundfunk, Software/Games, Theater/Tanz und Werbung.
Zum Angebot gehören Workshops, Vorträge und Netzwerkveranstaltungen, individuelle Beratungen, Coachings sowie eigene Finanzierungsprogramme und der Hilfe beim Zugang zu Finanzierungen. Die Gesellschaft betreibt 14 Immobilien und verschafft dort ca. 600 Nutzern Arbeitsräume und hilft darüber hinaus bei der Suche nach geeigneten Räumen. Mit Inkubatoren, Acceleratoren, Labs und weiteren Formaten initiiert und fördert sie Innovationen mit und für die Kreativwirtschaft.