Kongress

Wie Hamburg und Kopenhagen grünes Wachstum vorantreiben

24. August 2021
HamburgAmbassador Jens-Peter Saul im Gespräch mit den Hamburg News – über deutsch-dänische Zusammenarbeit, Wasserstoff und Chancen

Joining Forces for Green Growth – Unter diesem Motto bringt das Hamburg Copenhagen Business Forum (HCBF) am 25. August Wirtschaftsvertreter*innen aus Hamburg und Dänemark zusammen. Auf der Agenda der größten deutsch-dänischen Wirtschaftskonferenz in Kopenhagen stehen vor allem die Herausforderungen in den Bereichen Energiewende, grüne Verkehrswirtschaft, grüne Gebäude und eHealth.

Mit einer Keynote zum Thema „Sustainability – the driver for future growth in the region” eröffnet Jens-Peter Saul, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens Rambøll, Skandinaviens führender Ingenieur-, Architektur- und Beratungskonzern, die Konferenz. Er ist seit 2015 einer von 39 HamburgAmbassadors, die sich in 29 Ländern der Welt ehrenamtlich für die Hansestadt engagieren, um diese im Ausland noch bekannter zu machen. Im Vorfeld des HCBF haben wir mit ihm über die deutsch-dänische Zusammenarbeit, das Potenzial einer Wasserstoff-Wirtschaft und darüber, was beide Städte voneinander lernen können, gesprochen.

Hamburg News: Beim HCBF 2018 haben Sie den Finger in die Wunde gelegt und gemeinsame Anstrengungen Hamburgs und Kopenhagens angemahnt. Was ist in den letzten drei Jahren passiert? Sind wir auf dem richtigen Weg?

Jens-Peter Saul: Ja und Nein. Ja, weil die Beziehungen sehr gut sind und es auch einen guten Willen zur Zusammenarbeit gibt. Der 2018 unterzeichnete ‚Letter of Intent‘ der Metropolregion Hamburg mit Kopenhagen und Malmö zeigt dieses. Und ja, weil es einen Wissens- und Erfahrungsaustausch gibt zwischen den Städten, Unternehmen und Universitäten. Dass die Beziehungen gut sind und das Interesse groß ist, zeigt auch die große Anzahl an Teilnehmer*innen an dem diesjährigen Hamburg Copenhagen Business Forum.

Aber auch Nein, weil es aus meiner Sicht noch schneller gehen könnte. Ich persönlich würde gerne mehr konkrete Pläne der Zusammenarbeit sehen, die in gemeinsamen Projekten oder Initiativen münden. Die guten Beziehungen und Absichten sind also da, aber wir fallen zu schnell zurück in den Alltag und treiben unsere eigenen Pläne voran. Ein gutes Beispiel ist die Energiewende: Hier haben beide Seiten große Ambitionen und treiben diese auch voran. Aber ich bin überzeugt, durch Kooperation würde es noch schneller gehen. Ich würde es auch begrüßen, wenn wir mehr als eine gemeinsame Region werben. Studien zeigen, dass bei der Verdoppelung einer Wirtschaftsregion die Produktivität um 5 bis 6 Prozent wächst. Wenn wir als große Region – die in Bereich Nachhaltigkeit führend ist – sichtbar werden, können wir mehr Unternehmen und Talente anwerben und uns noch besser im globalen Wettbewerb behaupten.

Der Bau des Fehrmanbelt-Tunnels geht nun endlich voran. Bald wachsen wir dadurch räumlich näher und formen dann eine rund 10 Millionen Einwohner starke Wirtschaftsregion. Um das wirklich schnell zu erreichen, müssen wir die Zeit nutzen, um Netzwerke zu stärken, die Menschen zusammenführen. Letzteres auch durch einen Kulturaustausch, der eine Wegbereiter-Funktion übernehmen kann. Solch ein Kulturaustausch bedarf aber auch eine verlässliche, an langfristigen Zielen ausgerichtete, Förderung.

Hamburg News: Was kann Hamburg von Kopenhagen lernen?

Jens-Peter Saul: Die Dänen sind pragmatisch und sehr offen für Innovationen. Dieses nutzt die Stadt Kopenhagen geschickt, um neue Technologien schnell umzusetzen. Dadurch können innovative Technologien und Lösungen schnell in Projekten realisiert werden. Gerade beim Thema Nachhaltigkeit zeigt sich das in einer beindruckenden Weise. Kopenhagen hat solche Lösungen in ein Gesamtsystem integriert und ist dadurch führend in der Umsetzung der Energiewende. Zugleich hat dies die Stadt lebenswerter gemacht und Wohlstand geschaffen. Dabei versteht es Kopenhagen, die Einwohner frühzeitig in die Planung zu einzubinden, wodurch Projekte auch von der großen Breite der Bevölkerung getragen werden. Dänemark, besonders Kopenhagen, ist also ein ideales ‚Labor‘ für neue Technologien und Innovationen.

HamburgAmbassador Jens-Peter Saul

Hamburg News: Wo lohnt sich für Kopenhagen der Blick nach Hamburg?

Jens-Peter Saul: Hamburg ist das Tor zur Welt. Die Hansestadt hat starke Wirtschaftsbeziehungen in die ganze Welt und ist ein Logistik-Champion. Als offene Stadt schafft es Hamburg, viele globale Unternehmen anzuziehen. Der ideale Weg für dänische Unternehmen nach Deutschland – aber auch in die Welt – führt daher über Hamburg. Nicht umsonst ist Norddeutschland der größte Handelspartner der Dänen. Und in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation ist auch Hamburg ein Schwergewicht, also ein idealer Partner für dänische Unternehmen.

Hamburg News: Das diesjährige HCBF-Motto lautet ‚Joining Forces for Green Growth’. Welches ist für Sie das zentrale Kooperationsthema der nächsten Jahre für die beiden Städte?

Jens-Peter Saul: Dänemark und Norddeutschland waren Vorreiter der Windkraft und haben sich dadurch frühzeitig einen Vorsprung im Bereich Nachhaltigkeit gesichert, als andere Regionen der Welt sich noch nicht mal Gedanken über Klimawandel gemacht haben. Als Resultat sind globale Champions in der Region entstanden, die einen erheblichen Beitrag zur regionalen Wirtschaft leisten.

Die jüngsten Klimakatastrophen und der neueste UN-Klimabericht machen nun aber deutlich, dass das nicht reicht, sondern alles noch sehr viel schneller gehen muss. Es müssen sehr große Anstrengungen unternommen werden, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Das wird eine große Herausforderung für beide Städte – aber auch eine Chance. Dazu muss der Ausbau der Wind- und Solarkraft und die Elektrifizierung des Verkehrs und der Wirtschaft weltweit weiter vorangetrieben werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Verkehrssystem in Kopenhagen, das es sehr leicht macht, auf das Auto zu verzichten: Von den rund 1.400 Mitarbeitern in unsere Konzern-Zentrale kommt fast die Hälfte mit dem Rad. Und ich habe einen elektrischen Dienstwagen, trotzdem bin ich im letzten Jahr überwiegend mit dem Rad zur Arbeit gefahren.

Um unsere Klimaziele zu erreichen, werden wir jedoch auch eine riesige, integrierte Wasserstoff-Wirtschaft brauchen, um die Energieträger Öl und Gas gänzlich zu ersetzen. Vor allem Hamburg steht hier vor einer großen Aufgabe, den Hafen und die Industrien auf Wasserstoff umzustellen. Hamburg plant zwar eigene große Erzeugungskapazitäten, wird aber durch die erwartungsgemäß steigende Nachfrage nach grünem Wasserstoff auf den Import von Wasserstoff (H2) angewiesen sein. Dänemark ist schon sehr fortgeschritten in der Umsetzung der Energiewende und plant nun weitere ambitionierte Projekte. Ein gutes Beispiel hierfür ist die in der Planung befindliche ‚
Energieinsel‘ für Offshore-Windkraft, die nach Fertigstellung vermutlich mehr Kapazität hat, als in Dänemark benötigt wird. Durch eine gemeinsame oder verknüpfte Wasserstoff-Wirtschaft könnte einerseits Hamburg die Umstellung beschleunigen, andererseits könnten die dänischen Wind- und Wasserstoffanlagen besser genutzt werden.

Ähnlich wie in den Anfangstagen der Windindustrie haben wir also die Chance, durch eine frühe und groß angelegte Umsetzung der Technologie erneut eine Vorreiterrolle zu übernehmen und globale Champions zu kreieren. Doch dieses Mal haben wir viel weniger Zeit, um unsere eigenen CO2-Ziele zu erreichen. Aber auch weniger Zeit, weil andere Städte bzw. Regionen und Länder das große Potenzial von Wasserstoff erkennen und in den Wettbewerb einsteigen werden. Durch eine Kooperation würden wir also auch schneller werden.

Abgesehen davon haben wir, durch die führende Rolle beider Städte im Bereich Nachhaltigkeit, aus meiner Sicht eine Vorbildfunktion. Wenn Hamburg und Kopenhagen es schaffen, die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den Wohlstand zu erhalten, werden andere folgen.

Hamburg News: Lieber Herr Saul, wir danken Ihnen für das Gespräch.

oc/imb/sb

Quellen und weitere Informationen

HamburgAmbassador Jens-Peter Saul

Jens-Peter Saul wurde 2015 von Hamburgs damaligem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz zum ehrenamtlichen HamburgAmbassador in der dänischen Metropole Kopenhagen ernannt. Der Diplom-Ingenieur ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender des Unternehmens Rambøll, Skandinaviens führender Ingenieur-, Architektur- und Beratungskonzern, der weltweit rund 16.000 Expert*innen beschäftigt. Zuvor verantwortete er diverse Positionen bei der Siemens AG. Saul war bis Mitte 2018 Präsident der Deutsch-Dänischen Handelskammer und wurde u. a. 2017 von dem Unternehmensverband der Ingenieursbranche, die Association für Consultancy and Engineering (ACE), als „CEO of the Year“ in Europa ausgezeichnet. Die Energiewende, der Ausbau innovativer Mobilitätslösungen und die Fehmarnbeltquerung sind zentrale Themen für die Arbeit des gebürtigen Hamburgers. Jens-Peter Saul verfügt international über ein umfangreiches Netzwerk, das er immer wieder für die Belange der Stadt Hamburg mobilisiert und in Projekte einbringt.          

HamburgAmbassador-Programm

Die zurzeit 33 HamburgAmbassadors aus 28 Ländern üben ein Ehrenamt aus, in das sie vom Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg berufen werden. Die Senatskanzlei, die Handelskammer Hamburg und die an Hamburg Marketing beteiligten Institutionen haben das von Hamburg Marketing koordinierte HamburgAmbassador-Programm ins Leben gerufen, das in seiner Struktur einmalig in Deutschland ist. Die HamburgAmbassadors sind Unterstützer, Netzwerker und Impulsgeber für Politik ebenso wie für Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur im Ausland, mit dem Ziel, Hamburg international zu positionieren.

Hamburg Copenhagen Business Forum

Das diesjährige Hamburg Copenhagen Business Forum (HCBF) findet am 25. August in Kopenhagen statt. Flankierend wird bereits am 24. August der Move the North-Kulturabend veranstaltet. Am Konferenztag gewonnene Erkenntnisse, Impulse und Insights können am 26. August vertieft werden. Die abwechselnd in Kopenhagen und Hamburg stattfindende Konferenz wurde 2014 von der Handelskammer Hamburg und der Deutsch-Dänischen Handelskammer initiiert, um die wirtschaftliche Vernetzung beider Metropolen zu stärken. Hamburg Invest ist als Partner an Bord und organisiert unter anderem eine Startup-Session.

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