Forschung

Wasserstoff – Energieträger der Zukunft

25. Juni 2020
In Forschung und Industrie liegt der Fokus zunehmend auf Wasserstoff. Das könnte den Weg für die Energiewende ebnen

Der Norden stellt die Weichen. Im Herbst 2019 einigten sich die Küstenländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen auf den Aufbau einer grünen Wasserstoff-Wirtschaft als Säule der Energie- und Verkehrswende. Ein wesentlicher Schritt zum Gelingen der Norddeutschen Wasserstoffstrategie ist der Aufbau ausreichender Kapazitäten für Elektrolyse. Mit diesem technischen Verfahren kann Strom in Wasserstoff verwandelt werden. Die Strategie sieht vor, bis zum Jahr 2025 mindestens 500 Megawatt und bis zum Jahr 2030 mindestens fünf Gigawatt Elektrolyse-Leistung in Norddeutschland zu realisieren.

 

Fünf Millionen Arbeitsplätze

 

Die Kooperation der norddeutschen Bundesländer steht im Einklang mit den Zielen der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Die Wasserstofftechnologien verbinden klimapolitische Aspekte, zukunftsfähige Arbeitsplätze, neue Wertschöpfungspotenziale und einen globalen Milliardenmarkt. So werden bis 2050 in der Wasserstoff-Industrie mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze und ein Jahresumsatz von 800 Milliarden Euro in Europa prognostiziert. Zudem sind jährliche Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro für Reallabore der Energiewende (bis 2022) vorgesehen.

Elektrolyseur im CC4E der HAW Hamburg

Grüner, blauer oder grauer Wasserstoff

Unterschieden wird zwischen grünem, blauem und grauem Wasserstoff. Das derzeit am weitesten verbreitete Verfahren ist der graue Wasserstoff, der aus fossilen Energiequellen gewonnen wird – ein Prozess, bei dem CO₂ freigesetzt wird. Blauer Wasserstoff wird durch Dampfreformierung von Erdgas erzeugt. Das dabei entstehende CO₂ kann eingefangen und in erschöpften Gasfeldern oder Grundwasserleitern gelagert oder für chemische Prozesse genutzt werden. Für die Herstellung von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse schließlich wird Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne genutzt – ohne dass es zur Freisetzung von CO₂ kommt.

HAW Hamburg forscht an der Umsetzung

Die Elektrolyse, also die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, ist keineswegs ein neues Verfahren, betont Professor Werner Beba, Leiter des Competence Centers für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg. „Schon Jules Verne erkannte das Potential von Wasser für die Energieversorgung“. Tatsächlich vertrat der berühmte Science-Fiction-Autor 1874 in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ die Meinung, dass Wasser „zerlegt durch Elektrizität“ Kohle als Energieträger ablösen werde. An der Umsetzung dieser Vision – auch hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit – wird im CC4E, einer fakultätsübergreifenden wissenschaftlichen Einrichtung der HAW Hamburg, in zahlreichen Projekten geforscht.

Wasserstoff: Vielseitig einsetzbar und speicherfähig

„Grüner Wasserstoff ist ein synthetisches Gas“, erklärt Professor Beba. Die Vorteile dieses Energieträgers lägen in seiner vielfältigen Nutzbarkeit – etwa als Energiespeicher für Fahrzeuge mit Brennstoffzellen, als Beimischung zu Erdgas im Bereich der Wärmeversorgung oder zum Betrieb eines Gaskraftwerks – sowie darin, dass sich das Gas leicht speichern lässt. „Auf diese Weise lassen sich Schwankungen in der Energieerzeugung ausgleichen, wenn der Wind mal nicht bläst oder die Sonne nicht scheint“, so Beba.

Einziger Nachteil: Der Energieaufwand bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse. „Vor etwa 10 Jahren sprachen wir von einem Wirkungsgrad von 40%. Heute sind wir bei 70% – und forschen daran, die Effizienz weiter zu steigern“, so Beba. Dazu sei geplant einen großen Elektrolyseur zur Wasserstofferzeugung direkt im Bergedorfer Windpark Curslack zu bauen. Der Windpark Curslack wurde 2017 mit fünf Windenergieanlagen vom Typ Nordex N117 in Betrieb genommen und kann bis zu 15.000 Hamburger Haushalte mit grünem Strom versorgen. Die tagesaktuelle Forschungsarbeit zur Versorgung und Netzeinspeisung mit erneuerbaren Energien soll demnach durch den geplanten Elektrolyseur weiter in Richtung Sektorkopplung ausgebaut werden.  

Windpark Curslack

Energiewende mit Hilfe der Sektorkopplung vorantreiben

Die Sektorkopplung ermöglicht es, Strom aus erneuerbaren Energien mindestens indirekt zum Einsatz zu bringen und damit eine Verringerung von CO₂-Emissionen in verschiedenen Sektoren zu erreichen. In einer strategischen Partnerschaft zwischen dem CC4E und dem Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme (IWES) ist derzeit das Demonstrationszentrum Sektorkopplung in Planung, für das ein neues Gebäude am Energie-Campus-Bergedorf errichtet werden soll. „Um dabei zu möglichst praxisnahen Lösungsansätzen zu kommen, ist zudem der Aufbau des Anwendungszentrums „Integrierte Lokale Energiesysteme für die Sektorkopplung“ (ILES) in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme (IWES) geplant“, erläutert Professor Beba.

Aufbau eines Norddeutschen Reallabors

Zu den weiteren Plänen des CC4E zählt der Aufbau eines Norddeutschen Reallabors. In dem länderübergreifenden Verbundprojekt soll die ganzheitliche Transformation des Energiesystems unter Einbeziehung aller Sektoren – also Strom, Verkehr, Wärme, Industrie – großflächig erprobt und der Weg zu einer schnellen Dekarbonisierung aller Verbrauchssektoren demonstriert werden.

Verbundprojekt NEW 4.0.

Ein wesentlicher Treiber auf dem Weg zur Energiewende ist das Verbundprojekt NEW 4.0. Durch das gebündelte Know-how der 60 beteiligten Projektpartner – darunter Vattenfall, Siemens Gamesa oder Hamburg Airport – soll das Ziel verwirklicht werden, die Modellregion Hamburg und Schleswig-Holstein bis 2035 zu 100 Prozent mit regenerativem Strom zu versorgen. So unterhält etwa Vattenfall bereits seit 2012 in der Hamburger HafenCity eine Wasserstoffstation. Täglich können hier mittels Elektrolyse bis zu 750 Kilogramm Wasserstoff erzeugt und an Wasserstoff-Pkw und -busse abgegeben werden.

 

Aufbau einer deutschen Wasserstoff-Infrastruktur

In der Hafencity betreibt auch die Shell Deutschland Oil GmbH eine von vier Wasserstoff-Tankstellen in der Hansestadt. Bundesweit sind es inzwischen 30.

Bauherr ist das Gemeinschaftsunternehmen H2Mobility, eine unternehmerische Initiative mit dem Ziel, in Deutschland eine Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen und damit den Weg zu ebnen für eine zunehmende Wasserstoff-Mobilität. Ein ähnliches Ziel verfolgt die Wasserstoff Gesellschaft Hamburg bereits seit über 30 Jahren. Gegründet 1989, wirbt der Verein in der Öffentlichkeit für den Wasserstoff als Energieträger der Zukunft, initiiert Projekte und Studien und setzt sich für die Erprobung der Praxistauglichkeit der Technologie ein.
ys/kk

 

 

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