So beflügelt künstliche Intelligenz die Luftfahrt

Der weltweite Flugverkehr boomt. Daran dürften auch die Auswirkungen des Coronavirus auf die Luftfahrt langfristig nicht viel ändern. Laut einer Statista-Prognose steigt der Passagierflugverkehr von rund 2,9 Billionen Personenkilometern im Jahr 2020 auf rund 19,2 Billionen im Jahr 2040. Personen- oder Passagierkilometer gelten in der Personenbeförderung als Maßeinheit für die Beförderungsleistung. Ein wachsendes Verkehrsaufkommen bedeutet mehr Flugzeuge, die produziert werden und den Luftraum bevölkern, sowie mehr Passagiere und mehr Gepäck an Flughäfen. Um den mit dieser Entwicklung verbundenen Herausforderungen zu begegnen, wird künstliche Intelligenz (KI) eine bedeutende Rolle spielen, ist Dr. Ing. Susan Wegner überzeugt. Die Expertin ist Vice President Artificial Intelligence & Data Analytics bei Lufthansa Industry Solutions in der Metropolregion in Norderstedt.
Predictive Maintainance von zunehmender Bedeutung
„KI wird in Zukunft in allen Bereichen der Luftfahrt zum Einsatz kommen. Ob in der technischen Entwicklung und der Wartung von Flugzeugen, für Kundenservices, dem Controlling oder im Bereich Flight Operation – die Technologie hat überall wachsendes Potential“, sagt Wegner. „Zum Anwendungsbereich mit dem größten wirtschaftlichen Potential gehört nach wie vor die Automatisierung von Produktionsprozessen mithilfe von KI“, fährt sie fort. In diesem Feld kam die Technologie schon früh zum Einsatz, etwa durch Roboter in der Fertigung oder der Automatisierung von Routineaufgaben. Doch da die Luftfahrttechnik ein komplexer Bereich ist, birgt die technische Weiterentwicklung smarter Produktionsprozesse weiterhin viel Optimierungspotential. Von zunehmender Bedeutung ist dabei das Feld ‚Predictive Maintainance‘, also vorausschauende Wartung. Durch die Analyse von Maschinen- und Produktionsdaten, kann KI beispielsweise Turbinen oder hydraulische Pumpen identifizieren, die in absehbarer Zeit auszufallen drohen. „KI ist inzwischen sehr gut im Erkennen von Anomalien. So lassen sich potentiell schadhafte Teile austauschen und der kosten- und zeitaufwendige Ausfall eines Flugzeugs oder auch eines Gepäckförderbands vermeiden.“


Moderne Analysetools vielseitig einsetzbar
Überhaupt seien KI-gestützte Vorhersagen (Predictive Analytics) von wachsender Bedeutung. So liefern fortgeschrittene Analysemethoden mithilfe von Datenmodellen Prognosen und Handlungsempfehlungen, um Ressourcen und Kosten zu sparen oder die Sicherheit zu steigern. „Das betrifft die gesamte Flight Operation, die aufgrund tragfähiger Prognosen optimiert werden kann“, betont Wegner. Je früher etwa bekannt ist, wann genau ein Flugzeug am Gate ankommt, desto besser lassen sich nachgelagerte Prozesse planen und der Service für die Kunden verbessern. Ein wesentliches Feld ist zudem die Vorhersage des tatsächlichen Passagieraufkommens. „Dabei wird eine Vielzahl von Daten kombiniert“, erklärt Wegner. „Handelt es sich um Urlaubs- oder Businesspassagiere? Sind es Vielflieger? Ist es ein Anschlussflug oder kommen die Passagiere erstmals zum Flughafen? Aber auch die Jahreszeit fließt mit ein. Es ist ein komplexes Thema und bis wir hundertprozentige Prognosen erreichen, wird es noch etwas dauern.“
KI-gestützte Flugroutenoptimierung für mehr Klimaschutz
Die Analyseverfahren werden auch eingesetzt, um die Zahl der benötigten Mahlzeiten, nicht nur an Bord, sondern auch in den Flughafenrestaurants und Kantinen, möglichst exakt vorherzusagen. Erfolgreiche Prognosen verhindern dabei nicht nur Lebensmittelverschwendung, sondern führen auch zu einer Reduzierung des Gewichts an Bord und dienen somit dem Klimaschutz. Klimaschutzbestrebungen werden jedoch vor allem durch eine KI-gestützte Flugroutenoptimierung erreicht, die den Treibstoff-Einsatz reduzieren und so Kosten und Emissionen einsparen kann. Moderne Analysetools verbinden dabei die Echtzeitanalysen, etwa von Wetterdaten und Luftraumfreigaben, mit der Auswertung historischer Daten.
Computer Vision: Unterstützung bei Passagier und Gepäck
Ein weiteres Feld für den KI-Einsatz an Flughäfen ist Computer Vision, also KI in der Bildverarbeitung oder auch maschinelles Sehen. So nutzt etwa Lufthansa biometrische Gesichtsfelderkennung, um Passagieren einen kontaktlosen Weg durch Sicherheitskontrollen und beim Boarding zu ermöglichen. Die Technik steht aktuell an den Flughäfen Frankfurt, München und Wien zur Verfügung und funktioniert auch in Coronazeiten. „Computer Vision hat enorme Fortschritte gemacht, die Technik funktioniert trotz Masken, da die Augenpartie starke biometrische Kennzeichen bietet“, so Wegner. Zudem kommt Computer Vision zum Einsatz, um eine intelligente und störungsfreie Gepäckabfertigung zu ermöglichen. Ein Modell zum KI-unterstützten Baggage Handling von Lufthansa Industry Solutions ist im neueröffneten ARIC Artificial Intelligence Showroom ausgestellt. Landen Gepäckstücke kreuz und quer auf dem Förderband, ragen sie schnell über den Rand, was einen ‚Notstopp‘ auslösen kann. „Ein Neustart kostet Zeit, Geld und führt zu verärgerten Passagieren“, weiß Wegner. „Unsere ‚Baggage Control AI' erkennt Überhänge auf einer Gepäckförderanlage – und sorgt für zufriedene Mitarbeiter*innen und Passagiere.“
ys/sb/kk