Umwelt

SeaClear: Roboter reinigen den Meeresgrund

15. September 2021
Hamburger CML entwickelt zusammen mit internationalen Partnern ein erstes autonomes System, um Ozeane von Müll zu befreien

Die Vermüllung der Meere nimmt zu. Es sind vor allem Plastikflaschen, Lebensmittelverpackungen und Zigarettenkippen, die über Flüsse und andere Gewässer in die Weltmeere geraten. Diesen Müll aufzusammeln, hat sich das Projekt SeaClear verschrieben – und zwar mit Hilfe von autonom agierenden Robotern.

Zirka 26 bis 66 Millionen Tonnen Müll in den Ozeanen

Hinter SeaClear steht ein internationales Partnernetzwerk, bestehend aus dem Hamburger Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML und weiteren Partnern aus Deutschland, den Niederlanden, Kroatien, Frankreich und Rumänien. Zirka 26 bis 66 Millionen Tonnen Müll befinden sich in den Ozeanen hat das Forscherteam ermittelt.

Über 90 Prozent davon liegen auf dem Meeresboden und werden bislang von Tauchern geborgen – ein aufwendiges und teures Verfahren. Mit SeaClear entwickeln die Forscher nun ein erstes autonomes System. Gefördert wird das Projekt von der Europäischen Union mit fünf Millionen Euro im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020.

SeaClear Prototyp Mutterschiff

Mutterschiff, Drohne und Unterwasser-Fahrzeuge

„Unser Ziel ist die Entwicklung und Erprobung eines Netzwerks aus unbemannten Überwasser- und Unterwasser-Fahrzeugen und Drohnen zur Kartierung und Klassifizierung des Mülls am Meeresboden und dem anschließenden Einsammeln des Mülls“, erklärt Johannes Oeffner, Teamleiter Maritime Technologies and Biomimetics beim CML. „Am Anfang steht eine grobe Einschätzung zur Identifikation der Einsatzgebiete durch Drohne und Mutterschiff. Die detaillierte Kartierung übernimmt das erste Unterwasser-Fahrzeug, das Einsammeln des Mülls das Zweite“, ergänzt Projektleiter Cosmin Delea. Die Forscher peilen dabei eine 80prozentige Genauigkeit im Erkennen des Mülls, einen 90prozentigen Erfolg beim Einsammeln und eine 70prozentige Kostenersparnis gegenüber dem Einsatz von Tauchern an.

Was, wenn Tier und Plastik ‚kooperieren‘?

Eine besondere Herausforderung stellt die exakte Bestimmung des Mülls dar. „Unser System kann beispielsweise zwischen Plastik einerseits und Pflanzen und Tieren andererseits unterscheiden“, so Delea. Problematisch werde es allerdings, wenn beide ‚verschmelzen‘. „Wenn also etwa ein Meerestier einen Plastikbehälter als neue Behausung verwendet oder Algen sich Plastikteile ‚greifen‘ und um sie herumwachsen.“ Bei solchen Hybriden gelte immer: Leben geht vor. „Meldet unser System: Gegenstand zu 90% Plastik, dann greifen wir es. Rutscht dieser Wert unter eine vorher bestimmte Marke, gehen wir von Lebewesen aus und lassen es liegen“, erklärt der Wissenschaftler, der seit gut fünf Jahren beim CML tätig ist und seinen Master in Mechatronics, Robotics and Automation Engineering an der Technischen Universität Hamburg gemacht hat.

Lebendig oder Aufsammeln?

Künstliche Intelligenz hilft bei Erkennung

Zur Unterscheidung von Müll und Lebewesen kommen optische und akustische Sensoren zum Einsatz, das System wird mittels künstlicher Intelligenz trainiert und in Simulationen getestet. Für das KI-Training erstellen die Forscher eigenes Material, greifen aber auch auf öffentlich zugängliche Datenbanken zurück. „Qualitatives Material ist der Schüssel zum Erfolg“, betont Delea. „Qualitativ heißt in diesem Fall jedoch, das Material darf nicht zu gut sein. Fotos von Tauchern sind oft optisch aufbereitet und entsprechen damit nicht der Realität, die unsere Sensoren vor Ort ‚sehen‘.“ Wie etwa im Hamburger Hafen, in dem relativ trübes Wasser und Tideströmung die Identifizierung des Mülls erschweren. „Mit Kameras ist der Anteil von Müllkomponenten nicht gut einzuschätzen, darum setzen wir auf Akustik. In den ersten Versuchen untersuchen wir Stabilität und Präzision der Akustik-Systeme, um die Treffgenauigkeit zu erhöhen“, so Delea.

Erste Test-Einsätze in Hamburg und Dubrovnik

Bislang gab es zwei reale Testphasen, in Hamburg und Dubrovnik. Bis zum Ende der Projektlaufzeit im Dezember 2023 wollen die Forscher einen funktionsfähigen Prototypen entwickelt haben. „Dann folgt die Weiterentwicklung zur Marktreife, was noch einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte“, sagt Delea und Oeffner ergänzt: „Einzelne Komponenten können allerdings schon relativ bald zum Einsatz kommen, beispielsweise ein Kartierungsservice.“
ys/kk

Quellen und weitere Informationen

Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML)

Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg entwickelt und optimiert Prozesse und Systeme entlang der maritimen Supply Chain. In den vier Forschungsfeldern Maritime Logistik, Hafen, Schifffahrt und Schiffbau werden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in praxisorientierte Anwendungen überführt. Dabei stehen Lösungen für eine durchgängige Digitalisierung und Prozessautomatisierung, Dienstleistungskonzepte sowie KI-gestützte Datenauswertung ebenso im Fokus, wie autonome maritime Systeme und die nachhaltige Schifffahrt.

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