Mobilität

Die Debatte: Elektromobilität – unsere Zukunft?

21. Oktober 2020
Preis, Reichweite oder Umweltbilanz – HySolutions-Geschäftsführer Peter Lindlahr beantwortet fünf Fragen zu Vor- und Nachteilen von Elektroantrieben

In Hamburg nimmt die Elektromobilität Fahrt auf. Die Hochbahn AG hat den Herstellern Daimler Buses, MAN Truck und Bus sowie Solaris den Zuschlag für die Beschaffung von 530 emissionsfrei angetriebenen Solo- und Gelenkbatteriebussen erteilt. Bestellt wurden neben Elektrobussen mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien auch Fahrzeuge mit Feststoffbatterien. Die Elektrobusse sollen ab 2021 die Flotte ergänzen. Aktuell verfügt das Unternehmen über 30 Batteriebusse, 30 weitere werden bis zum Ende des Jahres erwartet.

Verantwortung übernehmen

„Erstmals in Deutschland haben wir bei der Ausschreibung auch Nachhaltigkeitskriterien angewendet. Damit wollen wir neben unserer lokalen auch eine globale Verantwortung wahrnehmen. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer wirklichen grünen Mobilität und einem klimaneutralen Unternehmen“, betont Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn.

Um jedoch der Verkehrswende den Weg zu ebnen, muss auch der Individualverkehr noch stärker auf Elektroantriebe setzen. Peter Lindlahr ist von den Vorteilen und der Zukunftsfähigkeit der Elektromobilität überzeugt. Der Geschäftsführer der HySolutions GmbH – die Public Private Partnership fungiert seit 2009 als Koordinierungsstelle für Elektromobilität in Hamburg – kennt jedoch auch die Bedenken, die es in Bezug auf Elektroautos gibt. Lindlahr nennt die fünf meistdiskutierten Punkte und klärt Vorurteile auf.

HySolutions-Geschäftsführer Peter Lindlahr

Sind Elektroautos zu teuer in der Beschaffung?

Tatsächlich sind Elektroautos beim Kauf noch immer etwas teurer als Vergleichsmodelle mit Verbrennungsmotor. „Doch die zunehmende Modellvielfalt, höhere Produktionsvolumina sowie mittlerweile doch deutlich ambitioniertere Markthochlaufszenarien der Automobilindustrie lassen auf der Angebotsseite die vielzitierten ‚economies of scale‘ erwarten nach dem Motto „Menge rauf, Stückkosten runter“, erklärt Lindlahr. „HySolutions hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums einen Dialogprozess mit der Leasingbranche entwickelt und umgesetzt, in dem zukunftsweisende Konzepte erarbeitet werden, um die Effizienz und preisliche Attraktivität der Angebote deutlich zu erhöhen. Im Übrigen sind schon heute die Leasingraten für E-Fahrzeuge in Deutschland nirgendwo so preiswert wie in Hamburg“, fährt er fort. Tatsächlich werden mehr als 80% der Elektroautos geleast, weil der technische Fortschritt sich bei diesen Fahrzeugen in relativ kurzen Intervallen vollzieht und dementsprechend längere Haltedauern wie beim Kauf aus Nutzersicht nicht attraktiv sind. „Wir werden perspektivisch dahin kommen müssen, dass die Restwerte im E-Fahrzeugleasing so stabil sind wie bei herkömmlichen verbrennungsmotorischen Fahrzeugen, also die Vermarktungsaussichten in einem künftigen Zweitmarkt so lukrativ sind, dass man E-Fahrzeugen auch in ihrem „zweiten Leben“ noch einiges zutraut und dementsprechend eine hohe Restwertstabilität erreicht“, so Lindlahr.

Reichweite: Komme ich mit einem Elektroauto bequem ans Ziel?

„Die Reichweite wurde lange diskutiert, ist aber inzwischen so gut wie kein Thema mehr. Mit meinem eigenen E-Fahrzeug schaffe ich nach Vollladung bis zu 520 km Reichweite dank einer leistungsstarken Batterie. Und es ist definitiv kein Tesla! Die Entwicklung geht bei allen Herstellern also kontinuierlich weiter, so dass Langstrecken künftig kein Problem mehr darstellen werden. Hierzu wird maßgeblich auch der bevorstehende Wechsel von Lithium-Ionen-Technologie hin zu Festkörperbatterien („solid-state“) beitragen, weil diese Batterien physikalisch eine höhere Energiedichte aufweisen und damit signifikant höhere Reichweiten erzielen.“

Ladeinfrastruktur: Gibt es genügend Ladesäulen?

„Ja, grundsätzlich schon, aber es gibt natürlich weiterhin ein Stadt-Land-Gefälle! In einer Großstadt wie Hamburg gibt es derzeit 1.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon 65 Schnelllade-Stationen. Der Grünstrom kommt von Hamburg Energie, Betreiber ist die Stromnetz Hamburg GmbH“ Dieses Angebot werde gut nachgefragt, betont Lindlahr. „In diesem Jahr dürften wir auf deutlich über 300.000 Ladevorgänge kommen – trotz Corona. Bis Ende 2023 rechnen wir jährlich mit über einer Million Ladevorgängen.“ Damit sei dann ein kritischer Wert erreicht, der schon jetzt den forcierten Ausbau von Ladestationen auf Privatgelände, insbesondere an und in Gebäuden, erfordere. „Hier greift das Projekt ELBE („Electrify Buildings for EVs“), das sich an Immobilienunternehmen, Projektentwickler oder auch Arbeitgeber richtet und ihnen wirklich sehr attraktive Zuschüsse für den Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur im nicht öffentlichen Bereich bietet“, erläutert Lindlahr.

Sicherheit der Netze: Gehen bei einer Million Ladevorgänge die Lichter aus?

„Nein, sicher nicht“, beruhigt Lindlahr. „Die allgemeine Energieversorgungssicherheit ist nicht gefährdet, denn es wird sich in Zukunft intelligentes Laden durchsetzen, das ein flexibles Lastmanagement sowohl lokal als auch auf Systemebene beinhaltet. Hierzu werden verbindliche rechtliche Vorgaben erlassen und die Fortschritte in der Digitalisierung genutzt, um wirksame und praxistaugliche Lösungen zu ermöglichen. Konkret: um „netzdienlich“ ein E-Auto laden zu können, bedarf es einer IT-gestützten Kommunikationsschnittstelle zwischen dem dezentralen Ladepunkt und der zentralen Anbindung auf Ebene des Stromverteilnetzes. Dies haben wir beispielsweise hier in Hamburg im Projekt ELBE schon realisiert und können daher flexibel reagieren und die Leistungsentnahme an der Ladesäule absenken, sobald sich eine punktuelle Überlastungssituation im Stromnetz abzeichnet. Damit kann der Gefahr einer lokalen Netzüberlastung entgegengewirkt werden. Und zugleich auch der substanzlosen Behauptung, unsere Stromnetze seien mit einem künftigen Massenmarkt bei der E-Mobilität überfordert. “

Ladestation mit zwei Elektrofahrzeugen

Wie ökologisch sind Elektroautos wirklich?

Elektroautos wird eine gute ökologische Bilanz bescheinigt, weil sie im Gegensatz zum Pkw mit Verbrennungsmotor keine direkten Emissionen erzeugen. Doch die für die Produktion der Batterien benötigten Rohstoffe Kobalt und Lithium stehen in der Kritik, weil ihre Förderung in den Herkunftsländern mit massiven Umwelt- und Sozialproblemen verbunden ist. „Eine kobaltfreie Batterie ist jedoch schon entwickelt und steht vor der Serienreife. Das ist wichtig, denn die ökologische Glaubwürdigkeit ist für den Umstieg auf Elektroautos entscheidend“, betont Lindlahr. Durch den Umstieg auf Solid State-Batterietechnologie wird die derzeit noch kritische Rohstoffbilanz von E-Fahrzeugen spürbar verbessert. Der vielzitierte ökologische Rucksack wird also kleiner, aber er bleibt in gewissem Umfang und ist damit auch künftig das willkommene Gegenargument der Skeptiker.“

Und das Fazit?

Abschließend ließe sich also feststellen: Einer zunehmenden Elektromobilität steht immer weniger im Wege und auch die deutsche Automobilindustrie treibt die Entwicklung mit wachsendem Engagement voran. Wie beurteilt nun der Experte die Bereitschaft der Bevölkerung auf Elektroautos umzusteigen? „Würde sich die Zunahme von Elektroautos weiterentwickeln wie bisher, wäre im Pkw-Gesamtbestand 2030 jedes fünfte in Hamburg zugelassene Fahrzeug ein elektrisch betriebenes“, so Lindlahr. Aktuell stellt sich allerdings die Frage, ob der Corona-Effekt als Beschleuniger oder Bremser wirkt. "Doch auch jetzt gehen Experten davon aus, dass wir 2023 den Tipping Point erreicht haben. Das heißt, dass Elektromobilität dann in der Gesellschaft endlich konsensfähig sein wird.“
ys/kk

Quellen und weitere Informationen

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