Die Digitalisierung hält Einzug in alle Lebensbereiche. Sie beschleunigt und vereinfacht Prozesse, sie fordert etablierte Verfahren heraus. So müssen zahlreiche Berufsgruppen im digitalen Zeitalter tradierte Arbeitsweisen überdenken. Angesichts einer wachsenden Legal Tech-Branche sehen sich auch Juristen mit neuen Herausforderungen konfrontiert. „In Zukunft wird der Beruf des Juristen zunehmend Projektmanager und Spezialisten erfordern, die mit Legal Technology arbeiten können”, sagt Markus Hartung, Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession (Bucerius CLP). Das Zentrum forscht unter dem Dach der Bucerius Law School in Hamburg an den Schnittstellen von Recht, Wirtschaft und Management.
Computerprogramme übernehmen Aufgaben von Junior-Anwälten
Nach einer aktuellen Studie, die das Bucerius CLP 2016 gemeinsam mit der Boston Consulting Group veröffentlichte, wird der Einsatz neuer Technologien den Rechtsmarkt stark verändern. In Anbetracht des steigenden Datenvolumens werde die Fähigkeit, rechtliche Daten abzubilden, zu analysieren und zu interpretieren, entscheidend für den Erfolg von Anwaltskanzleien. Die Studie zeigt auch problematische Aspekte auf. So sollen Computerprogramme künftig 30 bis 50 Prozent der Aufgaben von Junior-Anwälten übernehmen und damit insbesondere Einstiegsstellen gefährden. Die Rechtsbranche werde sich in vielen Teilen neu erfinden müssen, um Chancen und Herausforderungen begegnen zu können.

Neue Lernziele: Stochastik im Jurastudium
Im Curriculum der Studierenden an der Bucerius Law School sind erste Inhalte bereits auf die wachsenden Tech-Anforderungen ausgerichtet. Im Seminar Coding 4 Lawyers etwa vermittelt ein Student der Bucerius Law School, der selbst bereits ein Internetunternehmen führt, seinen Kommilitonen praktische Einblicke in die Funktionsweise von Servern und Domains oder die Programmierung einer Webseite.
„Das Seminar ist immer ausgebucht“, sagt Hartung. Für die Zukunft plädiert der Direktor für die Aufnahme mathematischer Inhalte in das Curriculum: „Wahrscheinlichkeitsrechnung ist die Grundlage von Künstlicher Intelligenz. Wenn Juristen ihre Gutachten auf Software-Auswertungen stützen, sollten sie auch deren Entstehung verstehen.“ Auch weitere Bildungsziele, wie das Erkennen neuer Einsatzmöglichkeiten für Technologien oder die Vermittlung digitaler Werte, sollten künftig in den Lehrplänen verankert werden.
Digitalisierung nicht als Bedrohung betrachten
Den Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeit der Juristen sieht Hartung zwiegespalten. Einerseits erkennt er im wachsenden Aufkommen junger Legal Tech-Startups, die sich Rechtsbereichen wie dem Fluggast- oder Mietrecht annehmen, eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Solche Startups wenden Algorithmen an, um die Erfolgsaussicht einer Klage zu berechnen. Sie können deutlich mehr Fälle in kürzerer Zeit bearbeiten und stellen ihren Mandanten nur im Erfolgsfall eine Rechnung aus. Das sei für den Verbraucher ein klarer Zugewinn.
Andererseits spricht Hartung als Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins für die Interessen seiner Berufsgruppe. Die Wettbewerbsbedingungen seien nicht gleich, weil Anwälte dazu verpflichtet sind, den Mandanten ihre Arbeitskosten in Rechnung zu stellen. Der Gesetzgeber müsse etwas für einen fairen Wettbewerb unternehmen. Unabhängig davon werde an der Bucerius Law School auch in Zukunft daran gearbeitet, die Digitalisierung nicht als Bedrohung zu betrachten und vor allem ihre Chancen für Juristen sichtbar zu machen.
ca/kk
Quellen und weitere Informationen:
www.bucerius-education.de/bucerius-clp
www.law-school.de